Apfelsaft wo kommst du her...
Mit einem Pro-Kopfverbrauch von 12,8 l jährlich sind die Deutschen Apfelsaft-Weltmeister.
Apfelschorle ist ein Trendgetränk. Die Wenigsten wissen allerdings woraus sie besteht und wo die Inhaltsstoffe herkommen. In der Fertigschorle finden sich Konzentrat, Aromen, Säure (Zitronensäure E330 oder Zitronensaftkonzentrat) und Wasser. Weltgrößter Produzent von Apfelsaftkonzentrat ist China (Importanstieg von 14.000 Tonnen in 2002 auf 112.000 Tonnen in 2007).
Saft ist nicht gleich Saft: Naturtrüber Apfelsaft aus Streuobstwiesen weist einen hohen Gehalt an Polyphenolen auf, die einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt der Gesundheit leisten. Im Apfelsaft aus Plantagenobst fehlen diese wertvollen Inhaltsstoffe weitestgehend. Wird der Saft aus Konzentrat bereitet, kann die zugesetzte Zitronensäure sogar eine schädliche Wirkung entfalten, da sie die Aufnahme von Metallen wie Blei und Aluminium im Körper fördert.
In Mostereien in Baden-Württemberg lag in 2007 bei der Saftherstellung der Anteil von Saft aus Streuobstwiesen nur noch bei 30%, der von Importkonzentrat bei 65%.
Während in Deutschland seit 1950 Streuobstwiesen um 70% abgenommen haben kommen in China jährlich 35.000 ha neue Obstplantagen hinzu.
Der NABU Altenkirchen pflegt und bewirtschaftet zwei Streuobstwiesen mit 181 Obstbäumen und presst jährlich zwischen 3.000 und 10.000 l Apfelsaft. Wer unseren Apfelsaft aus Streuobstwiesen trinkt leistet so einen Beitrag zum Natur- und Klimaschutz und zur lokalen Wertschöpfung.
Keine Streuobstwiese ohne Pflege
Die Jungbaumpflege mit jährlichem Erziehungsschnitt in den ersten 5- 10 Jahren ist unverzichtbar. Nur so entwickelt der Baum ein tragfähiges Kronengerüst. Bei Vollernte im Hauptertragsalter kommen schnell Gewichte von 500 kg/Baum zusammen.
In der anschließenden Ertragsphase genügt ein, alle 3-5 Jahre durchzuführender Erhaltungsschnitt. In der Altersphase tritt die Bedeutung für den Naturschutz in den Vordergrund. Astlöcher und Höhlungen aber auch stehendes Totholz sind von hoher Bedeutung für zahlreiche seltene oder bedrohte Tierarten wie Steinkauz, Gartenschläfer, Fledermäuse, Bockkäfer und Wildbienen.
Der NABU Altenkirchen bietet alljährlich in Kooperation mit der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Altenkirchen Frühjahrs- und Sommerschnittkurse an, in denen in Theorie und Praxis der fachgerechte Obstbaumschnitt vermittelt wird.
Von Apfel bis Zwetschge: Kleines Streuobst-ABC
(aus Lebensraum Streuobstwiese NAJU im NABU e.V., 2012)
Lebensraum und Artenvielfalt
Ein Querschnitt durch die Streuobstwiesengesellschaft
(aus Lebensraum Streuobstwiese NAJU im NABU e.V., 2012)
"Das Geheimrezept für die biologische Vielfalt auf Streuobstwiesen besteht aus den zahlreichen Möglichkeiten, die Strukturelemente von Wäldern und Wiesen bieten. Mehr als 5000 Tier- und Pflanzenarten wurden auf deutschen Streuobstwiesen gezählt. Für die unterschiedlichen Tierarten kommt ein reiches, jeweils saisonal erhöhtes Nahrungsangebot hinzu: Baum- und Wiesenblüte, Fruchtreife und Mahd. Faulendes Obst, Totholzhaufen und den Dung von Weidetieren gibt es extra.
Seltene Orchideen, Enziane und Nelken finden gelegentlich einen von ihnen bevorzugten nährstoffarmen Standort im Unterwuchs vor. Dort wachsen sie neben zahlreichen bunt blühenden Wiesenkräutern, besonders verbreitet ist eine Wiesen-Glatthafergesellschaft mit Margeriten, Wiesensalbei, Glockenblume, Flockenblume sowie Klee- und Wickenarten.
Partytiere: Der Blütenreichtum der Streuobstwiesen lockt viele Insekten an: Schmetterlinge, Wildbienen, Hornissen, Bockkäfer, Laufkäfer und Heuschrecken. Sie wiederum sind die Nahrungsgrundlage etlicher Vogel- und diverser Fledermausarten. Im Spätsommer naschen Schmetterlinge und Co. gerne am überreifen Fallobst. Der süße Saft ist oft schon angegoren, weshalb die sonst so fluchtbereiten Tiere dann beduselt sitzen bleiben und sich betrachten lassen.
Subkultur: Spechte suchen unter der Baumrinde nach Insekten und schlagen mit ihrem Schnabel Bruthöhlen in die Baumstämme. Diese Spechthöhlen sowie die Astlöcher in älteren Obstbäumen bieten unter anderem Nistraum für den selten gewordenen Steinkauz. In Streuobstwiesen findet er außerdem seine Lieblingsnahrung: die Feldmaus. Als Höhlenbewohner bekannt sind die Fledermäuse; diverse Arten sind aber auch in Streuobstwiesen anzutreffen, beispielsweise die Zwerg- und die Bechsteinfledermaus.
Haselmaus, Siebenschläfer und Gartenschläfer gehören zu der Familie der Bilche. Diese Kletterkünstler sind auf Nester (sogenannte Kobel) und Höhlen angewiesen, wo sie tagsüber ruhen, Winterschlaf halten und ihre Jungen großziehen können. Streuobstwiesen bieten ausreichend Platz und Material für die runden Kobel; Höhlen gibt es in Baumstümpfen und alten Baumstämmen. Früchte, Nüsse, Knospen und Rinde gehören zur bevorzugten Nahrung der Haselmaus, Sieben- und Gartenschläfer sind Allesfresser. Letzterer verspeist eher Wirbellose und gelegentlich Kleinsäuger oder räubert Vogelnester.
Spießer: Seine Jagdkunst und Art der Beuteaufbereitung machen den Neuntöter interessant. Am liebsten ernährt sich der fliegende „Maskenträger“ von großen Insekten, bisweilen aber auch von Kleinsäugern oder Jungvögeln. Bei Libellen, Wespen etc. entfernt der Neuntöter meist erst Flügel, Beine und ggf. den Stachel, bevor er zu speisen beginnt. Große Beute spießt er gelegentlich auf dornige Hecken oder Stacheldrahtzäune, um sie für später aufzubewahren. Er lebt in offenem Gelände, das er weit überblicken kann. Eine Streuobstwiese mit dorniger Hecke als Begrenzung ist also der perfekte Lebensraum für diesen Vogel."
Kurzer historische Abriss
Entstehen und Vergehen der Streuobstwiesen
(aus Lebensraum Streuobstwiese NAJU im NABU e.V., 2012)
"Vereinzelte Funde aus der Jungsteinzeit belegen das Vorkommen von Obstgehölzen in Siedlungsnähe: Vogelkirschen, Schlehenfrüchte, Wildäpfel, Birnen und Pflaumen. In der Nähe des Bodensees wurden sogar Reste ausgepresster Apfelschalen und -gehäuse gefunden, ein Hinweis auf die steinzeitliche Herstellung von Gärmost, um auf diese Weise große Saftmengen haltbar zu machen. Einige Obstsorten kamen gewissermaßen in Ledersandalen zu uns: Die Römer brachten unter anderem Pfirsich, Äpfel, Aprikose und Quitte, die sie im Orient und in Griechenland kennengelernt hatten, nach Mitteleuropa. Somit waren der Obstbau und entsprechende Techniken schon recht lange auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik bekannt gewesen, bevor sie im späten Mittelalter zunehmend großflächiger betrieben wurden: Obstgärten entstanden zunächst auf den Ländereien von Klöstern, von wo aus der Obstbau mit Baumpflege, Pfropfen und Veredelung in die umliegenden Siedlungen weitergegeben wurde. Zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert wurde der Obstanbau von Landesherren gefördert, wenn nicht gar verordnet, um die Ernährungssituation der Bevölkerung zu verbessern; auf nicht landwirtschaftlich genutzte Flächen wurden immer häufiger Obstbäume gesetzt; „Baumfrevel“ (Beschädigung der Bäume und Obstdiebstahl) wurde mit hohen Geldstrafen belegt, und die Schuldigen waren numehr öffentlich Geächtete. Das Ergebnis dieser historischen Pflanzungen: ortseinrahmende Streuobstgürtel sowie Obstbaumreihen entlang von Wegen und Grenzen. Solche Kulturlandschaftsstrukturen obstbaulicher Entwicklung sind in manchen Gegenden bis heute erkennbar. Zudem deuten einige Ortsnamen auf früheren Obstbau hin: Birndorf, Nußdorf, Afföller [Affol = Apfel]. Doch auch in der freien Feldflur entstanden Streuobstflächen. Hier pflanzte man vor allem hochstämmige Bäume, um den Boden darunter noch anderweitig nutzen zu können. Eine aufwendige Unternutzung mit Futtergras, Getreide, Gemüse oder Hackfrüchten kam insbesondere in Süddeutschland, aber auch in Sachsen-Anhalt vor. Schließlich aber setzte sich die Unternutzung als Wiese oder Weide durch. Areale, wo Getreide nur schlecht wuchs (ackerbauliche Grenzertragsstandorte), wurden in Streuobstwiesen umgewandelt. Ebenfalls üblich: die unregelmäßige Pflanzung von Obstbäumen zwischen Rebstöcke im Weinbau; und manch aufgrund von Schädlingen oder Krankheiten aufgegebener Weinberg wurde komplett mit Streuobstbäumen besetzt – zumal Obstweine eine kostengünstige Alternative zu den edleren Traubenweinen waren.
Lange wurde das meiste Obst auf lokalen Märkten verkauft und diente zur Eigenversorgung der Landbevölkerung."
Alte und neue Moden
Anfang des 19. Jahrhunderts kam die Beschäftigung mit Obstbau und Sortenzüchtung regelrecht in Mode, und so entwickelte sich auch die "Wissenschaft vom Obstbaum (lat. pomus)", die Pomologie. Geistliche und andere Schriftgelehrte unternahmen theoretische wie praktische Versuche, zumal durch Züchtung, aber auch zufällig viele unterschiedliche Obst-, vor allem Apfelsorten in den einzelnen Regionen entstanden waren. Die Pomologen bestimmten, beschrieben und veredelten diese. Besonders große, schöne und haltbare Sorten empfahlen sie als geeignet für den Anbau. In den 1930er Jahren schließlich erreichte der Bestand an hochstämmigen Obstbäumen in Deutschland seine größte Ausdehnung, bevor es die ersten Rodungen gab. So beispielsweise, wenn ein Winzerort sich zunehmend auf den Weinbau konzentrierte .
Nach dem zweiten Weltkrieg hatte der Streuobstbau noch einmal eine hohe Bedeutung für die Eigenversorgung. Doch Mitte der 1950er Jahre kam der erwerbsmäßige Streuobstbau - insbesondere in den westdeutschen Bundesländern - allmählich zum Erliegen. Leichter zu beerntende niederstämmige Bäume, die zudem früher in den Ertrag kommen, wurden nun in intensiv bewirtschafteten Obstbaumplantagen gepflanzt. Wenige, meist neue Sorten mit guten Pflückeigenschaften, hohem Ertrag und appetitlich aussehenden Früchten setzten sich durch. Da sie jedoch anfällig für Krankheiten und Schädlinge sind, wachsen sie oft nur unter erheblichem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Um die beiden Bewirtschaftungsformen - die in engen Reihen gepflanzten Plantagenbäumchen und die frei stehenden höchstämmigen Bäume - voneinander abzugrenzen, entstand der Begriff Streuobst.
Von den Plantagenbesitzern wurden die Streuobstbestände als Konkurrenz und als Herde für Krankheiten und Schädlinge betrachtet. Darüber hinaus galten sie vielerorts als zu "unordentlich" für das Landschaftsbild."
Durch Ausweisung von Siedlungs- und Industrieflächen gingen besonders viele Obstwiesen in Ortsrandlage verloren. Dem Ausbau der Verkehrswege fielen viele Obstalleen zum Opfer. Statistische Erhebungen in Nordrhein-Westfalen verzeichnen einen Rückgang um ca. 2,5 Millionen Bäume bzw. 65 % in nur wenigen Jahrzehnten.
In den 1970er Jahren wurden Streuobstwiesen sogar systematisch rerodet , gefördert durch Rodungsprämien der Europäischen Gemeinschaft. Im Kreis Coesfeld in Nordrhein-Westfalen verschwanden so innerhalb von nur drei Jahren ca. 12.000 Obstbäume!
Viele der noch übrig gebliebenen Obstwiesen waren oft überaltert und aufgrund fehlender Betreuung in einem ungepflegten Zustand (und sind es teils noch).
In den 1990er Jahren kam es durch die Initiative von Naturschutzverbänden und Naturschutzbehörden zu einer Gegenbewegung. Seitdem werden vielerorts Maßnahmen zum Erhalt und der Wiederbegründung von Streuobstwiesen durchgeführt und auch gefördert z. B. durch den Vertragsnaturschutz Streuobst.
Eine wesentliche Rolle für den Erhalt spielt die Nutzung, hier sind gute Erfolge in Projekten mit Aufpreisvermarktung zur Saftherstellung zu verzeichnen. Hierbei verpflichten sich Obstwiesenbesitzer*innen vertraglich zur Einhaltung bestimmter Pflegerichtlinien, insbesondere dem Verzicht auf Pestizideinsatz.
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Folgen für den Naturschutz:
Der klassische Naturschutz in Form von Gebietsschutz mit der üblichen statischen Festschreibung von Zielen und Zielarten steht durch den Klimawandel vor großen Herausforderungen. Ein regelmäßiges Monitoring mit Kontrollen und Neuanpassungen in dynamischen Pflege- und Entwicklungsplänen werden notwendig.
Durch die Erwärmung kommt es zur Verschiebung der Verbreitungsgebiete von Pflanzen- und Tierarten nach Norden bzw. in höhere Lagen. Je nach Reaktionsfähigkeit können hierdurch einzelne Arten oder auch Artengemeinschaften komplett verschwinden.
Durch den Klimawandel werden weltweit, je nach Szenario 20 bis 30% und lokal bis zu 60 % der Tier- und Pflanzenarten verstärkt vom Aussterben bedroht (IPCC 2007).
Exotische, wärmeliebende Arten, sogenannte Neobiota breiten sich aus. Problematisch wird es, wenn diese die heimische Natur bedrohen (z.B. Sommerflieder und Kirschlorbeer) oder die menschliche Gesundheit gefährden (z.B. stark allergieauslösende Beifuß-Ambrosie).
Chancen des Naturschutzes als globaler Beitrag zum Klimaschutz und Bedeutung für mögliche Klimaanpassungsstrategien:
Der Naturschutz kann einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten indem er einerseits Ökosysteme intakt hält oder renaturiert, die durch Kohlenstoffspeicherung und -aufnahme das Klima schützen, und andererseits ihre natürliche Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel steigert:
"Beim naturbasierten Klimaschutz werden die Leistungen der Ökosysteme genutzt, um Treibhausgasemissionen zu reduzieren, Kohlenstoffspeicher zu bewahren und zu erweitern.
Bei der naturbasierten Klimaanpassung ist das Ziel, die für die Menschen notwendigen Leistungen der Ökosysteme trotz Klimawandel langfristig zu erhalten und die Folgen der zu erwartenden, für den Menschen ungünstigen Entwicklungen (z.B. heftigere Regenfälle, häufigere Überflutungen aber auch Hitzewellen und Dürreperioden) abzupuffern.
Bei beiden Ansätzen gilt es, die Leistungen der Ökosysteme und deren Nutzbarkeit stabil zu halten. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Stabilisierung bzw. Stärkung der funktionalen Beziehungen innerhalb des Ökosystems und zwischen den Arten, um auf diese Weise deren Widerstandsfähigkeit zu erhöhen. Dies ist durch verschiedene Maßnahmen zu erreichen, z.B. mit einer nachhaltigen Bewirtschaftung sowie dem Schutz und der Wiederherstellung von Ökosystemen.
Naturbasierte Ansätze sind auch unter dem Begriff "ökosystembasierte Ansätze" bekannt." (Bundesamt für Naturschutz)
Ausführliche Informationen und Verweise zu Veröffentlichungen zu den Folgen des Klimawandels für den Naturschutz aber auch seinen möglichen Beitrag zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung finden sich auf der Website des Bundesamtes für Naturschutz:
https://www.bfn.de/themen/klimawandel-und-biodiversitaet.html